Warum Stallarbeit und Zeit zum Pferdeputzen so wichtig sind
Ein Pferd kann nicht zu uns kommen und sagen: „Mir geht’s heute nicht gut, mir tut etwas weh“ etc. Also müssen wir genau hinschauen! Beim Saubermachen bekommen wir erste wichtige Informationen über den Gesundheitszustand und das Befinden der Pferde. Wir sehen an den Pferdeäpfeln, ob alles normal aussieht oder eins der Pferde (und auch welches) evtl. Durchfall hat. Wir sehen (Urinspuren auf den Gummi-Matten?) und hören, ob Stuten rossig sind. Wenn angekaute Heuportionen herum liegen, müssen die Zähne gemacht werden. Abgescheuertes Fell oder Mähnenhaare könnten auf Probleme hindeuten. Und wenn Blut oder Blutstropfen zu sehen sind, sollte man sofort genau hinschauen. Während der Stallarbeit schauen die Pferde uns zu und wir schauen den Pferden zu. Wir sehen, ob sich alle normal verhalten oder nicht. Die Pferde sehen, wer da ist und können sich auf die Arbeit einstimmen. So ist das immer; ein wichtiges Ritual für alle.
Warum putzen wir die Pferde überhaupt?
-Um das Pferd sauber zu machen? Wer hat es denn schon einmal geschafft, ein Pferd richtig sauber zu putzen? Also- ich nicht. Okay- Sattel- und Gurtlage und alle Teile des Pferdes, wo Leder anliegt, sollten frei von Schmutz und Verkrustungen sein, weil es sonst Scheuerstellen geben könnte. Aber alles andere ist rein optisch, also eigentlich nicht notwendig. Oder????
-Putzen ist Gesundheitskontrolle. Ich putze mit System, behandle die gesamte Oberfläche des Pferdes, lasse nichts aus, kenne den Normal-Zustand und erkenne dadurch jegliche Veränderung. Scheuerstellen. Zeckenbefall. Wunden. Bißspuren. Empfindlichkeiten, Druckstellen, Ausweichen des Pferdes bei Schmerzen, und vieles andere, wie z. B. Rosse bei Stuten. Neben dem körperlichen betrachte ich den seelischen Zustand des Pferdes. Es macht mir deutlich klar, wie seine Stimmung ist und es spürt auch meine Stimmung. Ohne dass ich überhaupt ein Wort sagen muss.
-Putzen ist angenehm für das Pferd. Das Pferd kennt mich und mein Putz-System. Wiederkehrende Rituale geben Sicherheit und damit ein gutes Gefühl. Ich kenne die Stellen, wo es besonders gern gekrault werden möchte und freue mich, wenn der Hals lang und länger wird und die Oberlippe ganz nach vorn geschoben wird, meist das Pferd sogar versucht, auch mich am Rücken zu kraulen, um mir ebenfalls sooo gut zu tun. Auf der Koppel kraulen die Pferde einander auch, das ist ein deutlicher Anzeiger für die Beziehung. Wenn 2 Pferde einander nicht mögen, käme keins von beiden auf die Idee, das Kraulen überhaupt vorzuschlagen.
-Putzen ist die Erwärmung für den Reiter. Reiten ist Sport. Ohne eine vernünftige Erwärmung ist die Verletzungsgefahr höher.
-Putzen ist der eigentliche Beginn des Trainings. Das Pferd muss still stehen und sich überall anfassen lassen. Es muss die Hufe vernünftig heben und halten. Einem Fluchttier fällt das nicht so leicht! Auch wenn ein Pferd kitzlig ist –es muss die Berührung dulden. Kleine Anfragen werden klar beantwortet: nein, Drängeln und Schnappen geht gar nicht, ebenso „Auf-den-Fuß-treten“ oder „Huf aus der Hand reißen“ oder „das volle Gewicht auf den Huf legen“ beim Auskratzen etc. Meinungsverschiedenheiten, die man auf dem Putzplatz geklärt hat, ergeben beim Reiten eine gute Basis, weil sie zu Klarheiten werden. Was nicht geklärt wurde, erschwert die Arbeit mit dem Pferd. Putzen ist Beziehungsarbeit.
Die Pferde sind unsere Partner und darüber hinaus Mitglieder der Familie. Sie sind keinesfalls nur lebende Sportgeräte. Daher betrachte ich es als extrem abwegig für jeden denkenden Reiter und entwürdigend für das Tier, wenn Reiter auf die Stallarbeit und das Putzen verzichten und erwarten, ein reitfertiges Pferd vorzufinden (und damit auch noch erfolgreich zu arbeiten). Bei mir gibt es das nicht. Jeder Reiter/Fahrer hilft –natürlich altersabhängig mit unterschiedlicher Intensität – bei der Stallarbeit und beim Putzen mit.